Frage
zum Start: Was bedeutet für dich ein freier Tag?
Einleitung: Ein freier Tag klingt verlockend, oder? Einfach mal nichts tun, sich
ausruhen, die Füße hochlegen. Vielleicht einen Kaffee auf der Terrasse
genießen, ein gutes Buch lesen oder endlich diese Serie weiterschauen, die
schon ewig auf deiner Liste steht. Doch wenn du pflegende Angehörige bist,
bleibt der freie Tag oft nur eine schöne Idee. Denn während andere ihren
Sonntag genießen, wartet im Hintergrund immer jemand, der Unterstützung
braucht. Und das Handy ist immer griffbereit – schließlich könnte jederzeit etwas
passieren.
Erfahrungsbericht: „Neulich habe ich mir vorgenommen, einen freien Nachmittag zu nehmen.
Einfach mal raus, durchatmen und die Gedanken schweifen lassen. Doch kaum war
ich auf dem Weg, klingelte mein Handy. Der Rollator meiner Mutter war kaputt,
und plötzlich stand ich statt im Café im Baumarkt und suchte nach Ersatzteilen.
Frei ist eben relativ, wenn man Verantwortung trägt. Egal, ob es um einen
defekten Rollator geht, die Medikamente, die besorgt werden müssen, oder den
Termin beim Arzt, der plötzlich ansteht – ein freier Tag ist selten wirklich
frei.“
Realität der „freien“ Zeit: Die Vorstellung, sich als pflegende Angehörige eine Auszeit zu nehmen,
ist oft eine Illusion. Die ständige Erreichbarkeit und das Wissen, dass
jederzeit ein Anruf kommen kann, machen echte Erholung fast unmöglich. Selbst
wenn man es schafft, sich physisch zu entfernen, bleibt der Kopf oft bei der
Person, die man pflegt. Die innere Ruhe fehlt – und damit auch die echte Pause.
Das bedeutet nicht, dass man nicht pausieren will, sondern dass man in einem
System steckt, das Pausen kaum zulässt.
Tipp am Rande: Nimm dir trotzdem Zeit für dich selbst, auch wenn es schwerfällt.
Manchmal reicht schon ein Buch im Garten, ein kurzer Spaziergang oder die
Lieblingsserie mit einer Tasse Tee – auch wenn das Handy griffbereit ist.
Kleine Rituale, die sich in den Alltag einbauen lassen, sind Gold wert.
Versuche, dir diese Momente nicht zu nehmen, sondern sie bewusst einzuplanen.
Vorschläge
für kleine Auszeiten im Alltag:
1. Mikro-Pausen schaffen:
Selbst wenige Minuten können helfen. Schließe kurz die Augen, atme tief durch
und versuche, die Gedanken für einen Moment abzuschalten. Diese
Mini-Meditationen können kleine Oasen der Ruhe sein.
2. Die „stille Stunde“ einführen:
Plane feste Zeiten ein, in denen du nicht erreichbar bist – auch wenn es nur 15
Minuten sind. Erkläre deinen Liebsten, dass diese Zeit für dich ist, und bitte
um Verständnis. Kommunikation hilft, Grenzen zu setzen.
3. Aufgaben abgeben: Wo möglich, delegiere kleine
Aufgaben an andere Familienmitglieder, Nachbarn oder Freunde. Es ist okay, um
Hilfe zu bitten. Viele Menschen sind bereit zu unterstützen, wenn sie wissen,
was gebraucht wird.
4. Entlastungsangebote nutzen:
Informiere dich über Entlastungsangebote für pflegende Angehörige. Tagespflege,
Kurzzeitpflege oder Besuchsdienste können helfen, mal einen Tag oder ein paar
Stunden freizuschaufeln. Auch wenn die Organisation aufwendig wirkt, es lohnt
sich, diese Optionen in Anspruch zu nehmen.
5. Selbstfürsorge aktiv gestalten:
Finde etwas, das dir Spaß macht, und plane es fest ein – sei es ein
wöchentliches Kaffeetrinken mit einer Freundin, ein Sportkurs oder einfach ein
Abend mit einem guten Film. Diese Fixpunkte können dir Energie geben und sind
kleine Lichtblicke im Alltag.
6. Professionelle Unterstützung suchen:
Auch psychologische Unterstützung oder Gespräche mit anderen pflegenden
Angehörigen können hilfreich sein. Der Austausch hilft, sich nicht allein zu
fühlen und neue Perspektiven zu gewinnen.
7. Pflegetagebuch führen:
Ein Pflegetagebuch kann nicht nur helfen, den Überblick zu behalten, sondern
auch als Ventil dienen, um Gedanken und Emotionen festzuhalten. Manchmal hilft
es, sich von der Seele zu schreiben, was belastet.
8. Bewusst digital detoxen:
Versuche, wenigstens eine Stunde am Tag die digitalen Geräte auszuschalten.
Keine Nachrichten, keine Anrufe, keine E-Mails – nur du und der Moment. Es kann
Wunder wirken, die ständige Informationsflut für eine Weile zu unterbrechen.
Ausblick
und Motivation:
Pflegende Angehörige sind oft die stillen Helden
des Alltags. Ihre Arbeit ist unbezahlbar und unersetzlich – doch die eigene
Gesundheit darf dabei nicht auf der Strecke bleiben. Es geht nicht darum,
perfekt zu sein, sondern sich kleine Inseln der Erholung zu schaffen. Denn nur
wer sich selbst Gutes tut, kann auch langfristig für andere da sein.
Das System fordert viel von pflegenden
Angehörigen – oft zu viel. Umso wichtiger ist es, sich selbst die Erlaubnis zu
geben, Pausen zu machen, auch wenn diese nicht perfekt sind. Es ist kein Luxus,
sondern eine Notwendigkeit.
Schlussfrage: Was ist für dich der beste Weg, um eine kleine Auszeit im Alltag zu
finden? Hast du Tipps oder Rituale, die dir helfen, durchzuhalten? Teile sie
mit uns – denn gemeinsam lassen sich oft die besten Lösungen finden.
Abschließender Gedanke: Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie hart es sein kann, den Alltag zu
meistern und dabei die eigenen Bedürfnisse nicht zu vergessen. In meinem Buch
„Unser Leben zu dritt, die Demenz, er und ich“ erzähle ich von genau diesen
Herausforderungen. Es geht darum, sichtbar zu machen, was pflegende Angehörige
leisten, aber auch darum, Mut zu machen, hartnäckig zu sein und sich nicht in
der Verantwortung zu verlieren. Deine Gesundheit ist genauso wichtig wie die
deines Pflegebedürftigen – also sei mutig und nimm dir deine Auszeit, wie klein
sie auch sein mag.
Du hast es dir verdient!
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