Bist
du heute schon mal in den falschen Raum gegangen und hast vergessen, warum du
da bist? Willkommen im Club! Solche kleinen Aussetzer kennen wir alle. Doch
während diese Momente für uns harmlos sind, zeigt sich Demenz ganz anders –
tiefgreifender, bedrohlicher und unvorhersehbarer.
Seit
Jahren setze ich mich intensiv mit dem Thema Demenz auseinander, nicht nur
beruflich, sondern auch persönlich. Mein Buch „Unser Leben zu dritt, die
Demenz, er und ich“ erzählt von der Zeit, als ich selbst als pflegende
Angehörige vor den schier unüberwindbaren Herausforderungen stand, die diese
Erkrankung mit sich bringt. Genau deshalb engagiere ich mich heute ehrenamtlich
und unterstütze Menschen, die sich in ähnlichen Situationen befinden. Denn ich
weiß, wie es ist, wenn man am Ende seines Lateins angelangt ist.
Demenz – Ein Blick hinter die Kulissen
Demenz
ist kein einzelnes Krankheitsbild, sondern ein Überbegriff für verschiedene
Erkrankungen, die das Gehirn betreffen und nach und nach die Persönlichkeit
verändern. Für die Betroffenen ist das eine herausfordernde Reise, die das
Leben komplett auf den Kopf stellt – und für Angehörige nicht minder.
Die häufigsten Demenzformen:
- Alzheimer-Demenz: Die bekannteste Form
beginnt schleichend. Anzeichen wie Gedächtnislücken und
Orientierungslosigkeit werden oft erst spät als Krankheitssymptome
erkannt. Angehörige müssen nicht nur den Menschen, den sie lieben, langsam
loslassen, sondern auch den Alltag neu erfinden.
- Vaskuläre Demenz: Sie tritt häufig nach
Schlaganfällen auf und kann plötzlich und unberechenbar verlaufen. Dies
stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor besondere Herausforderungen.
Besonders schwierig ist die Unvorhersehbarkeit der Symptome, die von einem
Tag auf den anderen auftreten können.
- Frontotemporale Demenz: Diese Form trifft oft
Menschen in jüngeren Jahren und bringt dramatische
Persönlichkeitsveränderungen mit sich. Was früher selbstverständlich war,
ist plötzlich weg – vom respektvollen Umgang bis hin zu grundlegenden
sozialen Regeln.
Lästig, laut und engagiert – für Menschen mit
Demenz und ihre Angehörigen
In
meiner ehrenamtlichen Tätigkeit setze ich mich seit Jahren mit vollem Herzen
für Angehörige von Menschen mit Demenzdiagnose ein. Dabei habe ich gelernt,
dass es manchmal notwendig ist, lästig und herausfordernd zu sein, besonders
gegenüber denjenigen, die an den Stellschrauben drehen können, um Dinge zu
verändern.
Es
geht darum, gehört zu werden und die Bedürfnisse der Pflegenden sichtbar zu
machen. Genau das treibt mich an: Wenn sich eine Tür schließt, klopfe ich so
lange an, bis sie wieder aufgemacht wird – für all jene, die oft keine Stimme
haben, weil sie im täglichen Strudel der Pflege untergehen.
Wer bin ich ohne Kaffee – und was hat das mit
Demenz zu tun?
Vielleicht
fragst du dich, was das alles mit dem Kaffee zu tun hat. Stell dir vor, deine
alltäglichen Routinen und Strukturen brechen plötzlich weg – wie eine Tasse
Kaffee, die dir plötzlich nicht mehr schmeckt. Genau das erleben Menschen mit
Demenz täglich: Sie verlieren ihre Gewohnheiten, ihre Erinnerungen und ein
Stück weit auch sich selbst.
Als
pflegende Angehörige habe ich das selbst erfahren. Der Mensch, den man liebt,
verändert sich. Plötzlich sitzt man einem Fremden gegenüber, der sich nicht
mehr an die gemeinsamen Urlaube erinnert oder plötzlich aggressiv auf
Kleinigkeiten reagiert. Das schmerzt, macht hilflos und manchmal auch wütend.
Alltag als pflegende Angehörige – ein Balanceakt
auf Messers Schneide
Pflegende
Angehörige leisten jeden Tag Übermenschliches, und ich weiß aus eigener
Erfahrung, wie schmal der Grat ist, auf dem man dabei balanciert. Die täglichen
Herausforderungen sind vielfältig:
- Struktur schaffen: Die Tage sind voller
Aufgaben, und oft bleibt keine Zeit für sich selbst. Die Organisation von
Arztterminen, die Medikamentengabe und die Pflege lassen kaum Raum für
Pausen.
- Emotionales Auf und Ab: Man schwankt zwischen
Hoffnung, Frustration und stiller Trauer. Besonders schwer ist der Umgang
mit der Veränderung der geliebten Person. Man sieht jemanden, den man
kennt, aber er ist nicht mehr derselbe.
- Unsichtbare Trauer: Angehörige trauern um die
Person, die noch physisch da ist, aber in ihrem Wesen immer mehr
verschwindet. Diese stille, unsichtbare Trauer kann enorm belasten und
wird oft nicht als solche anerkannt.
Gemeinsam statt einsam – wie du pflegende
Angehörige unterstützen kannst
Viele
Menschen wissen nicht, wie sie Angehörige von Demenzkranken unterstützen
können. Oft sind es die kleinen Gesten, die Großes bewirken:
- Aktiv zuhören: Manchmal hilft es schon,
einfach nur zuzuhören und den Frust rauszulassen. Ein offenes Ohr ist oft
mehr wert als jedes Hilfsangebot.
- Konkrete Hilfe anbieten: Statt zu sagen „Melde
dich, wenn du etwas brauchst“, biete konkrete Hilfe an. Ob Einkäufe,
kleine Reparaturen oder die Übernahme eines Termins – das nimmt Last von
den Schultern.
- Zeit für sich ermöglichen: Pflege bedeutet permanente
Präsenz, und jede Auszeit ist Gold wert. Übernimm für ein paar Stunden die
Pflege, damit die pflegende Person Kraft tanken kann. Auch ein Spaziergang
kann schon Wunder wirken.
- Mut machen, lästig zu sein: Viele scheuen sich,
Ansprüche zu stellen oder sich gegen Entscheidungen zu wehren. Motiviere
pflegende Angehörige, für ihre Rechte einzutreten und nicht locker zu
lassen, wenn es um Unterstützung geht.
Teile deine Erfahrungen – deine Stimme zählt!
Hast
du selbst ähnliche Erfahrungen gemacht oder kennst jemanden, der pflegt? Dann
teile deine Gedanken und Geschichten mit uns! Jede Erfahrung hilft uns allen,
besser zu verstehen und zu unterstützen. Gemeinsam können wir ein Netzwerk
schaffen, das trägt und hält – gerade dann, wenn die Welt ins Wanken gerät.
Demenz
betrifft uns alle, und es braucht mehr Engagement, mehr Sichtbarkeit und vor
allem mehr Mut, um Veränderungen anzustoßen.
Zum
Schluss noch eine Frage: Ohne Kaffee? Ohne mich! Und du?
In
diesem Sinne: Lasst uns den Kaffee genießen, die Kräfte sammeln und gemeinsam
laut sein, wenn es darauf ankommt. ☕️
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